Der Nährstoffgehalt in Lebensmitteln früher und heute: Was hat sich verändert?
Nährstoffe in Lebensmitteln: Früher und heute – ein Vergleich
Quelle:Dipl. Ges. Oec. Jennifer Ann Steinort
Lesedauer ca. 9 Min.
Tomaten und Erdbeeren, die nach nichts schmecken: heute keine Seltenheit. Vielen Menschen drängt sich das Gefühl auf, dass Lebensmittel nicht mehr dasselbe sind, was sie einmal waren. Tatsächlich hat sich die Zusammensetzung über die Jahrzehnte verändert.
Doch woran liegt das und welche Folgen hat das für unsere Gesundheit? Wir haben uns dem Nährstoffgehalt früher und heute gewidmet, um diese und weitere Fragen zu klären.
Nährstoffe in Lebensmitteln: Diese Lebensmittel haben an Nährstoffen eingebüßt
Der Nährstoffgehalt hat sich verändert. Um das nachvollziehen zu können, muss allerdings ein wenig zwischen den Zeilen gelesen werden. Viele Grafiken lassen uns glauben, dass alles im Lot ist. So sieht der Gesamtgehalt an Nährstoffen im Vergleich zu früher und heute recht passabel aus. Wer seinen Blick auf die einzelnen Nährstoffe lenkt, wird aber schnell fündig, wenn es um Vitamine und Co. geht, die in den letzten Jahren verloren gegangen sind. Es gibt viele drastische Veränderungen. Nehmen wir zum Beispiel Orangen. Sie können nur noch ein Achtel an Vitamin A bieten. Brokkoli kommt mit 80 % weniger Kupfer daher.2 Auch Weizen musste wesentlich zurückstecken. Wird der Zeitraum von 1842 bis in die Neuzeit betrachtet, verlor er die Hälfte an Mineralstoffen.
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Untersuchte Lebensmittel Untersuchte Ergebnis Ergebnis Ergebnis Differenz in %
(je 100 g) Inhaltsstoffe 1985 1995 2002 1985 – 1986 & 1985 -2002
Brokoli Calcium 103 33 28 -68 -73
Folsäure 47 23 23 -52 -62
Magnesium 24 18 11 -25 -55
Bohnen Calcium 56 34 22 -38 -51
Folsäure 39 34 30 -12 -23
Magnesium 26 22 18 -15 -31
Vitamin B6 140 55 32 -61 -77
Kartoffeln Calcium 14 4 3 -70 -78
Magnesium 27 18 14 -33 -48
Möhren Calcium 37 31 28 -17 -24
Magnesium 21 9 6 -68 -76
Spinat Magnesium 62 19 15 -68 -76
Vitamin –C 51 21 18 -58 -65
Apfel Vitamin –C 5 1 2 -80 -60
Banane Calcium 8 7 7 -12 -12
Folsäure 23 3 5 -84 -79
Magnesium 31 27 24 -13 -23
Vitamin B6 330 22 18 -92 -95
Erdbeeren Calcium 21 18 12 -14 -43
Vitamin –C 60 13 8 -67 -87
Nährstoffe in Lebensmitteln: Studie deckt den Rückgang zahlreicher Nährstoffe auf
Dem Biochemiker Donald Davis ist es ein Anliegen, den Nährstoffverlust zu untersuchen. Im Jahr 2004 verglich er deshalb Daten von 1950-1999. Im Mittelpunkt standen 13 verschiedene Nährstoffe, die in Obst und Gemüse enthalten sind.
Dabei konnte er feststellen, dass Eisen, Phosphor, Calcium, Vitamin C und Vitamin B2 von einem Rückgang betroffen waren. Insgesamt betrug der Rückgang zwischen 6 und 38 %.
Die Beobachtungen konnten jedoch nicht so umfänglich gestaltet werden, wie gewünscht. Das liegt daran, dass im Jahr 1950 bestimmte Werte noch nicht vorlagen. Das gilt für Zink, Magnesium, Selen, Vitamin B6 und Vitamin E. Auch über sekundäre Pflanzenstoffe wurde damals noch keine nähere Auskunft gegeben.
Gut zu wissen!
Sekundäre Pflanzenstoffe sorgen für ein gutes Gedeihen der Pflanze.
Neueste Erkenntnisse legen den Schluss nahe, dass viele von ihnen, wie Sulforaphan, krebshemmende Eigenschaften besitzen.
Nährstoffe in Lebensmitteln: Verhungern trotz reichlich Nahrung
Der westliche Ernährungsstil sorgt dafür, dass wir nicht verhungern.
Zumindest nicht im eigentlichen Sinne, denn unsere Nahrung enthält genügend Energie. Damit wäre der Antrieb sichergestellt. Allerdings mangelt es häufig an Mikronährstoffen, also Vitaminen und Mineralstoffen, auf dem Teller. Dadurch kann sich ein ausgeprägter Nährstoffhunger einstellen.
Darauf kann Dein Körper mit Heißhunger reagieren. Wusstest Du zum Beispiel, dass der Appetit auf Schokolade auf einen Magnesiummangel zurückgeführt werden kann? Wenn Du nicht genügend Magnesium zu Dir nimmst, bedient sich Dein Organismus an eingelagerten Vorräten. Ein cleverer Schachzug, denn so kommt es nicht direkt zu Mangelsymptomen. Natürlich hat Dein Körper ein großes Interesse daran, die Speicher wieder aufzufüllen, also kurbelt er den Appetit auf magnesiumreiche Lebensmittel wie Schokolade an.
Heißhunger auf Süßigkeiten ergibt sich demnach nicht automatisch durch einen ungünstigen Umgang mit Zucker, sondern auch durch Nährstoffmangel. Obst und Gemüse, dem Vitamine und Mineralstoffe fehlen, können den Teufelskreis also anregen.
Nährstoffe in Lebensmitteln: Warum enthalten Obst und Gemüse weniger Nährstoffe?
Eine gute Frage, der wir nun näher auf den Grund gehen möchten. Mit Sicherheit hast Du schon einmal davon gehört, dass ausgelaugte Böden als Verursacher infrage kommen. Da Obst- und Gemüsepflanzen sich an den Nährstoffen des Bodens bedienen, ist diese Haltung durchaus nachvollziehbar. Schließlich hat die konventionelle Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten ihren Tribut gefordert. Die Böden wurden zerstört und die Fruchtbarkeit ließ nach. Ausgelaugte Anbauflächen sind aber nicht die ganze Wahrheit.
Zurück zu den Thesen des Biochemikers Donald Davis. Er geht davon aus, dass ein gesteigerter Ertrag zu dem Nährstoffverlust beiträgt. Ihm zufolge sind sich viele Agrarwissenschaftler gar nicht klar darüber, wie drastisch sich die Verluste darstellen. Davis zufolge ist der Verdünnungseffekt ein weitreichendes Problem. Mit einer reichen Düngung und Bewässerung können höhere Erträge erzielt werden. Seine Theorie besagt, dass das schnelle Wachstum dazu führt, dass die Pflanzen nicht mehr mithalten können, wenn es darum geht, Nährstoffe herzustellen oder aufzunehmen.
Nicht zuletzt ist auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ein Grund dafür, warum Lebensmittel zumindest weniger Antioxidantien enthalten. Es konnte nachgewiesen werden, dass ökologisch angebautes Obst und Gemüse mehr von den sekundären Pflanzenstoffen enthalten. Forscher nehmen an, dass durch die fehlenden Pflanzenschutzmittel die Pflanze selbst mehr sekundäre Pflanzenstoffe bildet, um sich vor natürlichen Feinden zu schützen.
Nährstoffarme Böden: Die Machenschaften mit dem Saatgut
Das Ziel ist klar: Mehr Ertrag gleich mehr Gewinn. Deshalb sind Landwirte auf der Suche nach besonders erfolgversprechenden Pflanzen. Das dafür notwendige Saatgut suchen sie in Saatgutkatalogen heraus. Die Anbieter solcher Kataloge sind Agrarkonzerne. Mit Größe, Form, Farbe und hohem Ertrag überzeugen sie ihre Kundschaft von neuen Sorten.
Nicht immer liefern althergebrachte Pflanzen die nötigen Verkaufsargumente. Genau an dieser Stelle kommen sogenannte Hybride ins Spiel. Im Katalog werden diese abgekürzt mit „HF1“ oder „F1“. Die Bezeichnung steht für Hybrid der ersten Generation.
Aber was sind Hybride überhaupt? Die Idee hinter dem Konzept ist, dass erwünschte Merkmale verschiedener Pflanzen miteinander kombiniert werden, um ein neues Gewächs zu kreieren, das den Käufer vollends zufrieden stellt. Auf diese Weise wurde auch die „Ewige Tomate“ geboren, die deutlich länger hält. Jahrelange Kreuzungen waren dafür notwendig. Am Ende, eine Tomate, die nur mit wenig Geschmack daherkommt.
Das scheint die Industrie aber genauso wenig zu interessieren, wie der Nährstoffgehalt. Die neuen Kreuzungen werden in der Regel nicht auf Herz und Nieren geprüft, wenn es um Vitamine, Mineralstoffe und Co. geht.
Nährstoffarme Böden: Der genetische Verdünnungseffekt hat Folgen
Fassen wir zusammen: der Nährstoffverlust kann darauf zurückgeführt werden, dass größere Erträge, mehr Schädlingsresistenz und ein genetischer Verdünnungseffekt erwünscht sind. Gerade der genetische Verdünnungseffekt kann zum Problem für den Nährstoffgehalt werden. Schließlich weisen ertragreiche Sorten, selbst wenn sie den gleichen Wachstumsbedingungen unterliegen, so weniger Nährstoffe auf.
Das Fernsehnetzwerk ZDF hat im Rahmen ihrer Dokumentation „Das Saatgut-Kartell“ eine Hybridtomate mit einer alten Version der nährstoffreichen Ausgabe verglichen. Folgende Grafik zeigt, wie stark der Unterschied mit Blick auf die Nährstoffe ist.
Infografik: Nährstoffe in Lebensmitteln – Hybridtomate vs. alte Tomate
Nährstoffe in Lebensmitteln: Geschmack ist an Nährstoffe gekoppelt
Das Interessante ist, dass Obst und Gemüse, wenn es lecker schmeckt, tatsächlich auch mehr Nährstoffe enthält. Das liegt daran, dass die geschmacksbestimmenden Verbindungen aus essenziellen Nährstoffen entstehen.
Du kannst also mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass eine aromatische Frucht automatisch mehr Nährstoffe liefert. Da wirtschaftliche Ziele aber immer mehr in den Vordergrund rücken, ist es nicht verwunderlich, dass an den Genen herumgespielt wird, um noch mehr „herauszuholen“.
Die Veränderung der chemischen Zusammensetzung kann am Ende jedoch dazu führen, dass nicht nur der Geschmack, sondern auch die Lieferung von Calcium, Magnesium, Vitamin C und wertvollen sekundären Pflanzenstoffen auf der Strecke bleibt.
Was Du als Verbraucher tun kannst
Angesichts einer solchen Maschinerie empfinden wir ein gewisses Gefühl von Machtlosigkeit. Schließlich durchblicken wir nicht den kompletten Prozess vom Kauf des Saatguts bis über den Anbau und die Lieferkette. Allerdings gibt es einen Ausgang aus der Misere und dieser heißt ökologische Landwirtschaft.
Insbesondere die biodynamische Landwirtschaft achtet sehr genau auf die Fruchtfolgen und die Fruchtbarkeit des Bodens. Natürlich spielen auch hier die Erträge eine Rolle, allerdings wird die Pflanze für mehr Gemüse oder Obst nicht drangsaliert.
Der gute Geschmack und damit auch der Nährstoffanteil werden bei Demeter und weiteren Vertretern berücksichtigt. Pflanzenschutzmittel spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Deine Kaufentscheidung trägt somit maßgeblich dazu bei, dass Nährstoffe nicht in Vergessenheit geraten.
So setzt Du Dich für mehr Nährstoffe im Essen ein:
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Bevorzuge Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau (entsprechende Siegel weisen Dir den Weg).
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Greife zu frischen und naturbelassenen Lebensmitteln.
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Baue selbst an, wenn Du die Möglichkeit dazu hast (Saatgut von der Initiative Kultursaat e. V. ist besonders empfehlenswert).
Nahrungsergänzungsmittel als Chance
Angesichts der sinkenden Nährwerte von Obst und Gemüse, ist es nur allzu verständlich, dass immer mehr Menschen auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen. Auf diese Weise können sie genau nachvollziehen, wie viel Nährstoffe sie aufnehmen.
Obst und Gemüse kann auch deutlich weniger Vitamine aufweisen, wie das Beispiel der Tomate zeigt.
Hier büßte das Gemüse vor allem an Vitamin C ein.
Apropos sekundäre Pflanzenstoffe. Auch diese wertvollen Substanzen können bei Kreuzungen verloren gehen.